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"Die Rente ist sicher"- mit diesem Satz warb einst Arbeitsminister Norbert Blüm für die gesetzliche Rentenversicherung. Nein, die gesetzliche Rente basiert auf dem Umlageverfahren und ist deswegen gerade nicht sicher, weil die Bevölkerung schrumpft und altert, argumentierten Vertreter der Finanzbrache. Deswegen müssten die Renten kapitalgedeckt sein wie die private und betriebliche Altersvorsorge, um sicher zu sein. Dann kamen Finanzmarktkrise und Niedrigzinspolitik. Und es bleibt die Frage: Welche Rente ist denn nun sicher - die umlagefinanzierte gesetzliche Rente oder die kapitalgedeckte private und betriebliche Altersvorsorge? Am besten informieren Sie sich selbst:
In einem Umlageverfahren wie der gesetzlichen Rentenversicherung werden die Beiträge für die Rentenversicherung nicht angespart. Stattdessen reicht die gesetzliche Rentenversicherung die Beiträge der heute Erwerbstätigen direkt an die heutigen Ruheständler weiter, um deren Rente zu finanzieren. Oder anders: Das Geld, das für die Zahlungen an die heutigen Rentner benötigt wird, wird direkt auf die heutigen Erwerbstätigen umgelegt - deswegen der Begriff „Umlageverfahren“. So geht das Generation für Generation: Die jeweiligen Erwerbstätigen finanzieren immer die Rentenzahlungen an die jeweiligen Ruheständler. Damit erklärt sich auch, warum beim Umlageverfahren oft vom „Generationenvertrag“ gesprochen wird.
Das Kapitaldeckungsverfahren sieht zunächst ganz anders aus. Hier unterstützt nicht eine Generation die nächste, sondern jeder spart für sich - sei es über „normale“ Geldanlage, Fonds, private Lebens- oder Rentenversicherungen oder betriebliche Altersversorgung. Im Ruhestand werden dann die Rentenzahlungen finanziert, indem das angesparte Kapital nach und nach aufgelöst wird. Die Renten sind also durch Kapital gedeckt, daher der Begriff „Kapitaldeckungsverfahren“.
Auf den ersten Blick unterscheiden sich die beiden Rentensysteme also fundamental. Im demografischen Wandel, so scheint es, hat das das Kapitaldeckungsverfahren deutliche Vorteile. Denn wenn eine sinkende Anzahl von Erwerbstätigen eine steigende Anzahl von Rentnern und Pensionären bezahlen muss, sieht das zunächst nach klaren Nachteilen für das Umlageverfahren aus - allerdings nur bei oberflächlicher Betrachtung.
Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass Umlageverfahren und Kapitaldeckungsverfahren sich im Kern sehr ähnlich sind - auch im demografischen Wandel. Denn egal ob die Ruheständler ihr Geld aus dem Umlageverfahren oder dem Kapitaldeckungsverfahren erhalten: In beiden Fällen muss das Geld von irgendjemandem erwirtschaftet werden. Im Falle der gesetzlichen Rentenversicherung sind es die aktuellen Beitragszahler, die mit einem Teil ihres Einkommens die Renten finanzieren. Im Falle der privaten und betrieblichen Altersvorsorge sind dies die aktuellen Sparer, die den Rentnern ihre Kapitalanlagen abkaufen - auch sie müssen das Geld dafür erwirtschaften. Vereinfacht ausgedrückt gilt also in beiden Rentensystemen: Die aktuellen Erwerbstätigen finanzieren die Renten der aktuellen Ruheständler. Nur erfolgt im Umlageverfahren diese Finanzierung direkt, während im Kapitaldeckungsverfahren die Kapitalmärkte dazwischengeschaltet sind.
Dass das Kapitaldeckungsverfahren genauso wie das Umlageverfahren auf Erwerbstätige angewiesen ist, verdeutlicht auch das folgende Beispiel: Die gesamte Bevölkerung wohnt auf einer Insel. Eines Tages begeben sich alle Erwerbstätigen auf einen Ausflug; auf dem Programm steht eine zweitägige Kreuzfahrt. Die Ruheständler bleiben auf der Insel zurück. Da passiert es. Alle Schiffe der Erwerbstätigen geraten in einen plötzlich aufziehenden Sturm und kehren nie wieder zurück. Bei einem reinen Umlageverfahren käme zu dieser Katastrophe ganz offensichtlich noch der finanzielle Ruin für die Ruheständler dazu: Keine Erwerbstätigen, keine Beitragszahler, keine Renten.
Glück im Unglück: Die Insulaner hatten seit jeher auf das Kapitaldeckungsverfahren gesetzt. Die Ruheständler haben prall gefüllte Sparkonten, Aktien und Wertpapierdepots (und viele darüber hinaus noch ein kleines Vermögen an Bargeld unter der Matratze). Nur – was sollen sie damit anfangen? All das Geld und all die Depots sind auf einen Schlag wertlos geworden. Jetzt gibt es niemand mehr, der die Zinsen für die Geldanlage der Ruheständler erwirtschaften oder ihnen die Aktien und Wertpapiere abkaufen kann. Auch das Bargeld ist wertlos geworden, da man nichts mehr damit kaufen kann. Denn keiner, der bisher die Güter für die Ruheständler produziert hat, ist jetzt noch da. Die einzige Möglichkeit, die den Ruheständlern jetzt noch bleibt, ist es, selbst wieder erwerbstätig zu werden. Genau das wäre auch in einem Umlageverfahren der Fall gewesen.
Die Diskussion um das „bessere“ Rentensystem wird meist mit Verweis auf den demografischen Wandel geführt, also der Entwicklung, dass die Bevölkerung in Deutschland zugleich schrumpft und altert. Was bedeutet das für das Umlage- und Kapitaldeckungsverfahren? Am besten lässt sich diese Frage beantworten, wenn die beiden Merkmale des demografischen Wandels gedanklich getrennt werden.
Angenommen, auf der Seite der Erwerbstätigen ändert sich nichts: weder ihre Wirtschaftsleistung noch die Mittel, die sie den Ruheständlern zur Verfügung stellen – sei es über Beiträge, die sie zur gesetzlichen Rentenversicherung zahlen, oder über das Aufkaufen der Aktien und Wertpapiere der Ruheständler. Dann bedeutet eine längere Lebenserwartung der Ruheständler zwangsläufig, dass die vorhandenen Mittel zur Finanzierung der Renten über einen längeren Zeitraum gestreckt werden müssen (es sei denn, das Renteneintrittsalter wird erhöht). Pro Monat bleibt also nur noch weniger Geld für die Rentenzahlungen übrig. Dieser Mechanismus gilt in jedem Rentensystem, ganz gleich, ob es sich um ein Umlageverfahren oder um ein Kapitaldeckungsverfahren handelt.
Angenommen, auf Seite der Ruheständler ändert sich nichts. Ihre Lebenserwartung bleibt ebenso unverändert wie die durchschnittliche Anzahl der Jahre, in denen sie ihre Renten beziehen. Was passiert dann, wenn die Geburtenraten sinken?
Im Umlageverfahren wird jedes Jahr genau das Geld an die Ruheständler ausgezahlt, das über die Beiträge der Erwerbstätigen eingenommen wird. Eine „Verzinsung“ der Beiträge ergibt sich, wenn die Summe der Beiträge von Jahr zu Jahr ansteigt – etwa wenn die Wirtschaft wächst und die Einkommen der Erwerbstätigen steigen. Stehen der Rentenversicherung 1,5 Prozent mehr Beitragsgelder zur Verfügung als im Vorjahr, weil die Summe der Löhne und Gehälter entsprechend angestiegen ist, stellt dies die „Verzinsung“ im Umlageverfahren dar.
Allerdings: Es geht dabei immer um die Summe der Rentenbeiträge. Wenn weniger Kinder geboren werden, wachsen auch weniger Erwerbstätige nach. Dann steigt auch die Summe der Beiträge langsamer an oder schrumpft sogar – es gibt ja nur noch eine geringere Anzahl von Beitragszahlern, die etwas zur Beitragssumme beisteuern. Damit führen im Umlageverfahren geringe Geburtenraten zwangsläufig zu einer niedrigeren „Verzinsung“ im Umlageverfahren. Es sei denn, der Rückgang der Zahl der Erwerbstätigen wird durch längere Arbeitszeiten, durch Zuwanderer oder durch eine deutlich gestiegene Arbeitsproduktivität kompensiert.
Das Kapitaldeckungsverfahren funktioniert gut, wenn es genügend Erwerbstätige bzw. Sparer gibt, die den Ruheständlern ihre Kapitalanlagen abkaufen. Genau das ist aber bei sinkenden Geburtenraten fraglich: Wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen und den geburtenschwachen Jahrgängen ihre Wertpapiere, Aktien, Immobilien, etc. verkaufen wollen, trifft ein (zu) hohes Angebot auf eine (zu) geringe Nachfrage. Der Preis sinkt, die Ruheständler bekommen weniger Geld für Ihre Kapitalanlagen als geplant und erhofft. Vergleichbares gilt, wenn die geburtenstarken Jahrgänge den geburtenschwachen Jahrgängen ihr Kapital nicht verkaufen, sondern leihen wollen - wenn sie also Kredite vergeben wollen. Auch hier trifft ein (zu) hohes Angebot auf eine (zu) niedrige Nachfrage: Der „Preis“ für Kredite, d.h. die Verzinsung geht zurück. Auch im Kapitaldeckungsverfahren führen also sinkende Geburtenraten zu sinkenden Zinsen.
Allerdings sind die Geburtenraten in Deutschland im weltweiten Vergleich besonders niedrig. Im Kapitaldeckungsverfahren besteht die Möglichkeit, das Geld in Ländern anzulegen, in denen die erwerbstätige Bevölkerung (noch) nicht schrumpft oder sogar wächst. Der demografisch bedingte Renditeverlust lässt sich damit begrenzen – allerdings um den Preis eines höheren Risikos. Zum einen besteht bei jeder Geldanlage in einer anderen Währung das Risiko, dass die Wechselkurse sich ungünstig entwickeln. Zum anderen stehen die Industriestaaten insgesamt vor vergleichbaren demografischen Problemen wie Deutschland. Wer diese umgehen möchte, muss mit der Anlage in Schwellen- und Entwicklungsländern andere Risiken in Kauf nehmen. Ganz unabhängig vom demografischen Wandel gilt zudem: Anlagerisiken gibt es bei den meisten Anlageformen; die Finanzmarktkrisen lassen grüßen.
Die Situation mit all den Vor- und Nachteilen der beiden Rentensysteme ist so kompliziert, dass sie schon wieder einfach wird. Denn seriöse Langfristprognosen über die Rentensysteme sind nicht möglich. Sie würden von zu vielen zu komplexen Annahmen abhängen, die eintreten können oder auch nicht. Also braucht man sich damit gar nicht erst lange aufhalten und kann sich gleich den grundsätzlichen Ergebnissen zuwenden. Und die sind eigentlich ganz einfach: